Die Idee zur „Bibliothek im Eis“ kam Lutz Fritsch auf seiner ersten Expedition in die Antarktis in der Sommersaison 1994/1995. Als erster deutscher Künstler reiste er an Bord des Forschungseisbrechers Polarstern an die damalige Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts. Die Labore und Wohnräume der alten Station – der zweiten Neumayer-Station – lagen komplett unter dem Eis. „Ich wollte deshalb einen geschützten Raum auf dem Eis schaffen, in dem die Bewohner der Forschungsstation in die Weite des Schelfeises blicken können. Ich wollte ihnen ermöglichen, hier die Ruhe und Inspiration zu finden, um über die Natur, die Zivilisation, Wissenschaft und Kultur nachzudenken“, erzählt der Künstler.
Zehn Jahre später war es soweit: Zum Jahreswechsel 2004/2005 fuhr Lutz Fritsch zum zweiten Mal in die Antarktis. Diesmal um sein Kunstprojekt „Bibliothek im Eis“ aufzubauen. Den isolierten Container, der die Bibliothek beherbergen sollte, hatte das Alfred-Wegener-Institut Lutz Fritsch für sein Vorhaben zur Verfügung gestellt und in die Antarktis transportiert.
Der Künstler hatte mit finanzieller Unterstützung privater Sponsoren den Container bereits in Köln mit Bücherregalen, Beleuchtung, Tisch und Ledersofa ausgestattet und die Außenwände in den Farbtönen Maigrün, Smaragdgrün, Gelbgrün und Laubgrün lackiert, Dach und Boden in rot. „Ich habe lange über die richtige Farbe für die Bibliothek nachgedacht, bis mir klar wurde, dass er nur grün sein konnte. Grün gibt es in der Antarktis einfach nicht: Das Eis ist weiß, mal grau, mal blau, die Schutzanzüge der Polarforscher rot. Somit erschien Grün mir als die Sehnsuchtsfarbe der Überwinterer“, sagt Lutz Fritsch.
Der grüne Container ist seitdem ein fester Bestandteil der Forschungsstation geworden. So ist der Stationsleiter jedes Überwinterungsteams beispielsweise auch automatisch Bibliothekar. Und als im Jahr 2009 die Neumayer-Station III eröffnet wurde, zog auch die „Bibliothek im Eis“ auf dem Schelfeis um. Die neue Station liegt zwar nicht mehr unter dem Eis, dennoch trennen die Station und die Bibliothek immer noch ein Fußweg von 100 Metern. „Die Überwinterer sollen bewusst den Weg von der Wissenschaft zur Kultur gehen“, sagt Lutz Fritsch.